Soziale Sicherungssysteme in der Bürgerversicherung: Kapitaldeckung oder Umlageverfahren?

In den letzten Jahren wird verstärkt über die Reform der sozialen Sicherungssystemen diskutiert. Bei allen sozialen Sicherungssystemen muss sich die Gesellschaft der Frage stellen, wie die benötigten Mittel zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme  bereitgestellt werden können.

Bisher wird in Deutschland bei den gesetzlichen Sozialversicherungen (Rente, gesetzlicher Kranken-, Arbeitslosen- und Unfall- sowie der Pflegeversicherung) das Umlageverfahren angewendet. Bei den privaten Sicherungssystemen (Individual­versicherung) wird das Kapitaldeckungsverfahren als Kalkulations- und Finanzierungs­verfahren von privaten Risiken angewandt.

Die Höhe der Beiträge beim Umlageverfahren richtet sich global nach den Kosten für die erbrachten Leistungen, wobei jedoch einkommensorientierte Bemessungs­richtlinien sicherstellen sollen, dass die individuelle Beitragsbelastung ein bestimmtes Maß nicht übersteigt. Auf der anderen Seite gibt es auch Beitragsuntergrenzen als Mindestbeitrag für die gesetzliche Sozialversicherung.

Die Höhe der Beiträge beim Kapitaldeckungsverfahren richtet sich nach dem Risiko des Versicherungsfalles, der nach dem Ansparen die zu zahlenden Leistungen abdecken soll. Alle laufenden und zukünftigen Ansprüche werden aus diesem individuellen Deckungskapital in entsprechender Höhe bedient.

Die Grundidee der Bürgerversicherung ist, alle Bürger mit allen Einkünften an der Finanzierung der Sozialsysteme zu beteiligen. Es bleibt die Frage, ob dabei eine Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahren Finanzierung nachhaltig besser ist. Aus jeden Fall muss vermieden werden, dass wie bei der bisherigen Diskussion die Finanzierung von Sozialversicherungen als Steuer betrachtet wird und somit im Rahmen der ...???

Vor- & Nachteile von Umlage- & Kapitaldeckungsverfahren

Nicht jedes Risiko für eine Versicherung ist gleich. Bei der Alter- Rentenvorsorge wir von den Versicherten eine Leistung nach einer längeren Phase der Arbeit mit den Zahlungen erwartet, die zum Zeitpunkt der Einzahlung versprochen wurden. Dafür muss später Kapital vorhanden sein. Bei den anderen Sicherungssystemen wie gesetzlicher Kranken-, Arbeitslosen- und Unfall- sowie der Pflegeversicherung wird das Geld im Bedarfsfall benötigt.

Beim Umlageverfahren werden die Einnahmen zur Begleichung der aktuellen Leistungen herangezogen. Die historische Erfahrung nach der Währungsreform 1948 war, dass weder die staatlich noch die privat organisierte Versicherung zur Altersvorsorge über Rücklagen für eine Rentenzahlung an die aktuelle Rentnergeneration verfügten. Deshalb muss die kollektive Leistung der Altenfinanzierung – unabhängig von der Art der Organisation und ihrer jeweiligen Finanzierungsverfahren – in direkter Weise von den jeweils arbeitenden Generationen erbracht werden.

Nachfolgende Argumente für das Umlagesystem gelten heute noch:

  • Kein Kapitalvermögen kann durch Kriege oder Wirtschaftskrisen vernichtet werden.
  • Ein Ansparen von Kapital im gesamtvolkswirtschaftlichen Maßstab sei ohnehin nicht möglich (Mackenroth-Theorem)
  • Der Staat kann die Beitragszahlung durch die aktive mittlere Generation immer durchsetzen.

Weil keine Rücklagen gebildet werden, setzt ein Umlagesystem aber auch die Existenz einer nachfolgenden Generation voraus, deren Angehörige versicherungspflichtig tätig sind und vor allem ausreichend Beiträge zahlen.

Zum Ausgleich von wirtschaftlichen Schwankungen ist eine Schwankungsreserve eingeplant, die sicherstellen soll, dass zum Beispiel bei konjunkturellen Schwankungen genügend Kapital zur Auszahlung bereit steht.

Beim Kapitaldeckungsverfahren entsteht ein Kapitalstock der nachhaltig abgesichert und somit auf dem Kapitalmarkt verwaltet werden muss.

Die Finanzkrise 2009 hat zum zweiten Mal gezeigt, wie durch maßloses Handeln in einer globalen Wirtschaftswelt Vermögen vernichtet werden. Am Beispiel der USA zeigt sich 2011, dass die Staatsschulden zu ca. 20 Prozent von den staatlichen Renten-, Kranken- und Pensionskassen gehalten werden. Staatschulden galten bisher als Schulden mit hoher Bonität. Die Krise des Euro als Gemeinschaftswährung in der EU hat gezeigt, dass Staaten nach der Rettung von Finanzinstituten (nach deren Geldzockerei)  selber an den Rand der Insolvenz geraten können. Somit sind selbst staatliche Wertpapiere in der einer Wirtschaftskrise nichts wert, wie ein Interview mit Nikolaus von Bomhard, dem Vorstandsvorsitzenden der Munich Re, der weltweit größten Rückversicherung, die knapp 200 Milliarden Euro Kapital verwaltet, zeigt. Zitat vom 31.7.2011 in der SZ: „Anlagenotstand für Unternehmen und Privatleute. Es gibt nicht mehr die absolut sichere Anlage, so wie wir das über Jahre gewohnt waren"... "Eine Staatsanleihe ist nicht mehr das, was sie früher war, ein in jeder Beziehung sicheres Investment."