Reutlinger General-Anzeiger: 07.01.2012 – „Jahresrückblick eines Rentners auf 2011“

Rentner und Beitragszahler können leider mit dem nun abgelaufenen Jahr 2011 nicht zufrieden sein. Die Renten sind in den letzten acht Jahren bis zum 1.7.2011 um 5,12 Prozent brutto und 3,16 Prozent netto erhöht worden, das sind durchschnittlich 0,4 Prozent pro Jahr. Demgegenüber haben sich die Löhne in dieser Zeit um rund 15 Prozent erhöht, die Lebenshaltungskosten ebenfalls. Die Rentner haben somit erhebliche Einbußen erlitten. Hinzu kommen höhere Zuzahlungen, höhere Besteuerung und andere Scherze.

Entsprechend der Entwicklung der Löhne und Gehälter wäre zum 1.7.2011 eine Erhöhung von 3,1 Prozent angezeigt gewesen. Durch neu erfundene Anpassungs-Faktoren (Altersvorsorge-Faktor, Beitragssatz-Faktor, Rentner-Quotient/Nachhaltigkeitsfaktor) verblieben von 3,1 nur 0,99 Prozent. Das verstehe wer will, die Zahlen sind enttäuschend. Da fällt mir ein Ausspruch des früheren Vorstands der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs, in abgewandelter Form ein: „Die Rentner sind dumm und frech, sie haben Beiträge bezahlt und wollen dafür auch noch Rente.“

Die Rentenpolitik kann man tatsächlich nur noch mit Galgenhumor ertragen. Damit die Rentner sich beruhigen, hat man ihnen eine Erhöhung von etwa 2,3 Prozent im Jahr 2012 in Aussicht gestellt.

Für Beitragszahler gibt es zum 1.1. 2012 eine Beitragssenkung von 0,3 Prozent, Hälfteanteil 1,5 Prozent, die weitgehend durch Erhöhung des Pflegebeitrags aufgefressen wird. Diese Beitragssenkung wird begründet mit hohen Reserven der Rentenversicherung (RV). Diese betrugen am 1.7.2011 aber nur 18,9 Milliarden Euro.

Eine Senkung des Beitrags wäre aber erst bei rund 25 Milliarden zulässig (§ 158 SGB VI). Man hat hier also etwas voreilig gehandelt. Nebeneffekt der Beitragssenkung ist eine Verminderung des Bundeszuschusses (BZ) um 700 Millionen Euro. Dies dürfte der Hauptgrund für die Beitragssenkung sein. Das leidliche Thema Bundeszuschuss zeigt sich hier von seiner hässlichsten Seite: Er soll die beitragsfremden Leistungen der Rentenversicherung ausgleichen, hat es aber in 40 Jahren nie erreicht. Die Bezeichnung „Bundeszuschuss“ ist eine Vortäuschung falscher Tatsachen, da es sich nur um eine ungenügende Ersatzleistung des Bundes für Vorleistungen der Rentenkasse handelt. Von Zuschuss kann keine Rede sein. Andere Länder subventionieren die Rentenkasse, bei uns wird sie geplündert.

Im Sommer 2011 fanden Sozialwahlen statt. In höchsten Tönen wurde die Selbstverwaltung gelobt und es wurde für einen starken und fairen Sozialstaat geworben. Leider steht die Selbstverwaltung nur auf dem Papier, auch sie wird nur vorgetäuscht. Tatsächlich besteht eine Monopolverwaltung durch Minister, Beamte, Politiker und „Experten“. Die Selbstverwaltungsorgane der Rentenversicherung haben praktisch nichts zu sagen. Die Kosten der Wahl sind Geldverschwendung.

Das ganze Jahr über fanden viele Gipfel-Konferenzen statt. Nötig wäre mal ein Renten-Gipfel unter Einbindung der Rentner und Beitragszahler. Die Rentengesetze müssen so geändert werden, dass die korrekte Verwaltung der Beiträge gesichert ist. Leider ist dies bisher nicht der Fall, sonst könnten unsere Renten um mindestens zehn Prozent höher liegen.

Immanuel Schaich, Reutlingen