Vielen Dank für Ihre kritische Stellungnahme zu Aussagen aus unserem Positionspapier Soziale Sicherung in Deutschland zum Thema Rente. Zur Verdeutlichung unserer Aussagen schicken wir Ihnen gerne ein Exemplar dieses Positionspapiers zu. Um Ihre Fragen zu beantworten, ist darüber hinaus Folgendes zu ergänzen:
Deutschland ist das einzige Land in Europa, in dem nicht alle Bürger in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Es mag zwar noch mit dem Grundgesetz vereinbar sein, dass die Politiker und Beamten für sich selbst eigene, sehr viel bessere Regelungen zur Altersversorgung geschaffen haben, kraft eigenen Amtes. Es verletzt aber unsere elementaren Grund- und Menschenrechte, dass dieselben Politiker und Beamten auch zweierlei Recht für die verschiedenen Altersversorgungssysteme in Anwendung bringen, mit Zustimmung des BVerfG, was u. a. in der Entscheidung vom 27.02. 2007 (1 BvL 10/00) zum Ausdruck kommt:
- Für Arbeitnehmer und Rentner gelten bei der Altersversorgung nicht die gleichen Rechte in Bezug auf rückwirkende Eingriffe (u. a.) wie für Mitglieder anderer Altersversorgungssysteme (Absatz 53).
- Zwischen Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung und Mitgliedern anderer Altersversorgungssysteme gibt es Unterschiede von solcher Art und Gewicht, dass eine unterschiedliche rechtliche Behandlung gerechtfertigt ist (Absatz 70).
- Der Eigentumsschutz des GG gilt nicht für die Beiträge der gesetzlich Versicherten (Absatz 55).
Das ist eine Diskriminierung von Arbeitnehmern und Rentnern.
Wie wir aus der Bundestagsdrucksache 16/65 vom 10.11. 2005 (S. 331) wissen, betragen die nicht durch Bundeszuschüsse gedeckten versicherungsfremden Leistungen in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung (gRV, gKV u.a.) derzeit rund 65 Mrd. Euro pro Jahr, eine gigantische Umverteilung von Versichertenbeiträgen insbesondere zugunsten von Politikern, höheren Beamten und Richtern. Kein Wunder also, wenn keine der so begünstigten Parteien an diesem Zwei-Klassenrecht rütteln will.
Mit dem Rentenreformgesetz 1978 hat der Gesetzgeber zum ersten Mal rückwirkend in nach Recht und Gesetz erworbene Rentenansprüche von Arbeitnehmern eingegriffen, eine Maßnahme, die in keinem anderen Altersversorgungssystem zulässig ist.
Die erste darauf bezogene Beschwerde hat das BVerfG am 01.07.1981 (1BvR 874/77 u.a.) zurückgewiesen. In der Begründung finden sich zum ersten Mal in der Rechtsprechung des BVerfG die oben zitierten Aussagen. Seitdem hat das BVerfG keine einzige Beschwerde eines Betroffenen zum Rentenanspruch bzw. zur Rentenhöhe auch nur zur Entscheidung angenommen. Nachhaltiger kann man seine Verachtung gegenüber Arbeitnehmern und Rentnern nicht zum Ausdruck bringen. Artikel 103,1 GG wird damit für 80 Prozent der Bevölkerung zur Farce, denn weder das BSG noch die verschiedenen LSG’s (u.a. München, Stuttgart, Niedersachsen-Bremen) haben in entsprechenden Klagen unsere Argumente widerlegt, sie haben nicht einmal den Versuch gemacht.
Auch eine Verfassungsbeschwerde zum Thema versicherungsfremde Leistungen hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen, mit folgender Begründung: „Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Aus den Grundrechten folgt kein Anspruch eines Mitglieds eines verfassungsmäßig errichteten Zwangsverbands auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlicher Mittel.“ (1 BvR 1498/94 am 28.10.1994)
Weder das BVerfG noch eines der angerufenen Sozialgerichte (einschließlich BSG) haben unsere Forderung aufgegriffen, der DRV aufzugeben, die versicherungsfremden Leistungen in der gRV explizit auszuweisen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Wir haben in Deutschland die Situation, dass diejenigen, die den Wohlstand erarbeitet haben bzw. erarbeiten, im Alter mit Almosen abgespeist werden, während diejenigen, die den Wohlstand verwalten und verteilen, für sich eine angemessene Altersversorgung beanspruchen. Das wird in diesem Jahr wieder besonders deutlich, in dem die Pensionäre der Länder eine Erhöhung ihrer Pensionen einmal um rund 70 Euro erhalten haben und mit einiger Verzögerung noch einmal durchschnittlich 80 Euro zusätzlich bekommen. Die Erhöhung der Renten beträgt zum 1. Juli dieses Jahres im Durchschnitt knapp zwei Euro.
Sie sehen also, dass wir als Betroffene allen Grund haben bezüglich der Rechtsstaatlichkeit unserer Gesetzgebung und der Rechtsprechung unserer Gerichte in Zweifel zu geraten.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag der Kooperation
Heider Heydrich