Widerspricht das Rentenrecht einer gerechten Altersversorgung?

Ist die Bürgerversicherung die gerechtere Alternative?

Teilnehmer:

Frau Monica Wüllner,
Mit­glied im Bundesvorstand der CDU (angestellte Rechtsan­wältin)

Herr Thomas Poreski, MdL
sozialpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis90/Die Grünen in B-W

Frau Katja Mast, MdB
Generalsekretärin der SPD B-W

Herr Pascal Kober, MdB
Mitglied im Landesvorstand B-W der FDP

Frau Heidi Scharf
Landessprecherin Die Linke B-W

BRR hatte 10 Fragen vorberei­tet und aus Zeitgründen die Teil­nehmer gebeten, nicht mehr als eine Minute pro Ant­wort in Anspruch zu nehmen.

Frage 1

Gleichheitssatz GG Art.3 Abs.1:
Ist eine Altersversorgung nach einem Zwei-Klassensystem und einem Zwei-Klassenrecht, mit dem Gleichheitssatz unse­res GG in Art.3 Abs.1 „Alle Menschen sind vor dem Ge­setz gleich“ zu vereinbaren?

CDU: Nach Art. 3 GG kann Glei­ches gleich und Unglei­ches un­gleich behandelt werden.

SPD: Wir machen im Bundes­tag nichts willkürlich. SPD will schritt­weise zur Erwerbstäti­genversicherung kommen.

Grüne: RV ist ungerecht, aber nicht verfassungsfeindlich.

Linke: Wollen Erwerbstätigen­versicherung, BBG kappen.

FDP: Unterscheidung zwischen Beamten und Arbeitnehmern verstößt nicht gegen das GG.
Die gesetzliche RV ist gut auf­gestellt, größere Veränderun­gen sollten vermieden werden.

Frage 2

Ungleichbehandlung (Anpassung der Renten – Pensi­onserhöhungen 2013):
Wie können Sie den Rentnerin­nen und Rentnern als Wähler eine solche Ungleichbehand­lung erklären, außer mit dem Totschlagargument „Die Sys­teme sind nicht vergleichbar?“

CDU: Es ist nicht zielführend, Beamte und Arbeitnehmer gegeneinander auszuspielen. Beamte in die gRV zu über­führen, bringt nichts. BBG zu kappen treibt die Lohnneben­kosten, das kostet Arbeitsplät­ze.

SPD: In der gRV gilt das Äqui­valenzprinzip.

Grüne: Auflösung des Prob­lems durch die Bürgerversicherung. Man muss das System neu jus­tieren.

Linke: Die Rente ist längst von den Löhnen abgekoppelt.

FDP: Die geringe Rentenanpas­sung ergibt sich dadurch, dass in früheren Jahren eine Absen­kung nicht erfolgt ist, Stich­wort Nachholfaktor. Anpas­sung hängt von der Lohnent­wicklung ab.

Frage 3

Versicherungsfremde Leistun­gen in der Rentenversicherung:

Halten Sie es für verantwort­bar, dass vfL in der Rentenversi­cherung in Anwendung ge­bracht werden können, obwohl es hierfür keine Definition gibt und die daraus resultierenden Belastungen für die Rentenver­sicherung nicht korrekt erfasst sondern geschätzt werden?

CDU: Ich bin für eine klare De­finition.

SPD: Auch die Wiedervereini­gung wurde über die vfL finan­ziert. Die SPD hat das durch zu­sätzliche Zahlungen (zusätzli­cher Bundeszuschuss) repariert.

Linke: vfL müssen steuerfinan­ziert sein.

FDP: 80 Mrd. an Steuermitteln fließen in die gRV. Er will in Berlin nachfragen, was genau mit diesem Geld passiert.

Frage 4

Versicherungsfremde Leistun­gen in der Rentenversicherung (700 Mrd. Euro Unterdeckung):
Halten Sie es für vertretbar, dass sich der Gesetzgeber durch seine allgemeine Rege­lungskompetenz in der Renten­versicherung Mittel zur Befrie­digung des allgemeinen Fi­nanzbedarfs beschafft, zu Las­ten der Versichertengemein­schaft?

CDU: Die Schätzungen sind un­seriös, da es ja keine exakten Zahlen gibt. Es sollte kein Geld zur Deckung des Bundeshaus­halts verwendet werden, da­rum ist sie für genaue Definiti­on der vfL und deren Deckung durch den Bundeshaushalt.

SPD: Schauen Sie sich an, was die aktuelle Politik zur Zeit macht, bzw. vor hat, wir sollten nicht nur eine Rückschau ma­chen. vfL sollten nur über Steu­ern finanziert werden.

Linke: Brauchen klare Abgren­zung, und das auch für die gKV und die AloV.

FDP: Wir haben heute nun ein­mal das System wie es ist.

Frage 5

Steuerzuschuss an die DRV:
Bedarf es hier nicht einer radi­kalen Umkehr in der Informati­onspolitik zur gesetzlichen Rentenversicherung oder kom­muniziert die Politik diese Steu­ergelder absichtlich falsch als Zuschuss, um damit in der öf­fentlichen Meinung die Akzep­tanz zu erhalten?

● für die Absenkung des Rentenniveaus?

● für die Rente mit 67?

● und für Rentenerhöhungen unterhalb der Inflationsrate?

CDU: Die Bundeszahlungen sind Erstattungsleistungen. Wir haben den demografischen Wandel und müssen dagegen angehen.

SPD: Wir wollen den Kampf ge­gen prekäre Beschäftigung und einen flächendeckenden Min­destlohn.

Grüne. Es muss unterschieden werden zwischen Erstattungs­leistungen und Zuschüssen.

Linke: Zuschüsse kann man kür­zen, Erstattungsleistungen nicht.

FDP: Man muss erst klären, ob es sich um Erstattungsleistun­gen oder Zuschüsse handelt.

Frage 6

Steuerzuschuss an die DRV:

Vorbetrachtung

Politiker jeglicher Couleur wie­sen immer darauf hin, dass aus dem Bundeshaus­halt über 80 Mrd. Euro Steu­ergelder für die RV aufge­bracht werden müs­sen und sich der Bund somit in er­heblichem Umfang an den Kosten der Renten beteiligt.
Die DRV weist jedoch für 2010 nur 59,0 Mrd. Euro an Steuer­zuschüssen aus bei 76,2 Mrd. Euro an vfL und für 2011 nur 64,5 Mrd. Euro bei 81,4 Mrd. Euro an vfL.
Der Präsident der DRV, Herr Dr. Rische, sagte in seinem Rede­beitrag auf der Bundesvertre­terversammlung am 24.06.2010 in Frankfurt:

  1. Die Rentenversicherung fi­nanziert gesamtgesellschaft­liche Aufgaben.

  2. Die Bundeszuschüsse sind zur Finanzierung der ge­samtgesellschaftlichen Auf­gaben nicht ausreichend.

  3. Bundesmittel sind keine Sub­ventionen. Mit ihnen wer­den Leistungen finanziert die nicht zum Kerngeschäft der DRV-Bund gehören.

Frage

Die Aussagen zu den Zuschüs­sen an die Rentenversicherung von Regierung und Politikern einerseits und dem Präsidenten der DRV andererseits wider­sprechen sich somit grundle­gend. Wer sagt die Unwahrheit und täuscht damit die Bevölke­rung?

Grüne: Hält derzeitige Auftei­lung für ungerecht.

Linke: Die DRV braucht einen klaren Auftrag zur Aus­weisung der vfL.

FDP: vfL müssen erst definiert werden.

Frage 7

Unterrichtung zur gesetzlichen RV:

Vorbetrachtung

In der Drucksache 17/11740 vom 29.11.2012 unterrichte­te die Bundesregierung die ge­setzgebenden Körper­schaften – also die Abgeordneten des Bundestages und den Bundes­rat – über die ge­setzliche Ren­tenversiche­rung im Jahr 2011.

Bei den Einnahmen der Ren­tenversicherung werden die Bundeszuschüsse separat aus­gewiesen. Bei den Ausga­ben finden sie den Anteil der vfL aber nicht, weil sie wie Renten­ausgaben darge­stellt werden.

Die Bundesregierung weist in der Drucksache ferner da­rauf hin, dass die vfL in der RV aus Steuermittel aufge­bracht wer­den müssten und kürzt gleich­zeitig den Bun­deszuschuss 2013 und im Fi­nanzplan bis 2016 um 4,75 Mrd. Euro wohlwissend, dass die Steuergelder heute schon die vfL nicht abde­cken.

Frage

Ist das das Verständnis der Poli­tik für Wahrheit und Klarheit? Fühlen Sie sich mit der Unter­richtung durch die Bundesre­gierung über die Ausgaben der Rentenversicherung und den Umgang mit vfL richtig infor­miert und wenn nein was un­ternehmen Sie dagegen?

CDU: Sie fühlt sich nicht ausrei­chend informiert, nimmt das Thema aber mit und spricht es in ihrer Partei an.

SPD: Sie fühlt sich ebenfalls nicht ausreichend informiert und nimmt das Thema mit und spricht es in ihrer Partei an. Sie empfiehlt uns, dazu eine Petiti­on zu machen

Grüne: Die ganze Sache ist nicht transparent.

Linke: Es ist eine genaue Auf­schlüsselung erforderlich, sie will deshalb nachhaken.

FDP: Er will das Thema in Zu­kunft sensibler angehen.

Frage 8

Neutralität der Gerichte:
Durch das Zwei-Klassensystem Rentner/Beamte sind Richter als Berufsbeamte selbst Privilegier­te des Systems und profitieren von der Ungleichbehandlung.
Sind damit nicht berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des BVerfG bzw. BSG gegeben?
Wie sollen Richter im Sozial­recht unvoreingenommen ur­teilen, wenn sie selbst aus die­sem Zwei-Klassensystem profi­tieren?

CDU: Eine Differenzierung ist nach dem GG grundsätzlich möglich.

SPD: Sie sieht hier kein Verfas­sungsproblem.

Grüne: Das ist ungerecht aber nicht verfassungswidrig. Um Änderungen zu erreichen, ist es wichtig, dass Sie sich rühren.

Linke: Warum brauchen wir Be­amte? Man muss das System überdenken.

FDP: Er hat Vertrauen in die Richter. Eigentlich sind Richter keine Beamte.

Frage 9

Rechtsprechung der Gerichte

Vorbetrachtung

Die Ablehnung einer Verfas­sungsbeschwerde zu den versi­cherungsfremden Leistungen in der Rentenversicherung be­gründete das BVerfG am 28.10. 1994 (BvR 1498/94) u.a. damit, dass aus den Grundrechten kein An­spruch eines Mitglieds eines verfassungsgemäß errich­teten Zwangsverbandes erfol­gen kann auf generelle Unter­lassung einer bestimmten Verwendung
„öffentlicher Mit­tel.“ Das ist Juristendeutsch und bedeutet nichts anderes, als dass das BVerfG der Auffas­sung ist, dass unsere Renten­beitragsgelder öffentliche Mit­tel darstellen über die der Ge­setzgeber nach Gutdünken ver­fügen kann. Mit einer solchen Rechtsprechung wird der Ei­gentumsschutz nach Art. 14 GG an unseren Rentenbeitragsgel­dern aufgehoben und Unrecht zu gültigem Recht, sowie eine soziale Diskriminierung institu­tionalisiert.

Frage

Sind Sie und Ihre Partei mit einer solchen Rechtsprechung des BVerfG einverstanden und betrachten Sie unsere Renten­beiträge auch als „öffentliche Mittel?“

CDU: Das ist eine akademische Diskussion, sie kennt das Urteil nicht. Gesellschaftliche Änderungen müssen von der Politik berück­sichtigt werden.

SPD: Es ist eine Anmaßung das BVerfG zu kritisieren.

Grüne: Man darf das BVerfG auch kritisieren. Die Verfassung lässt hier Spiel­räume zu.

Linke: Beiträge sollten unan­tastbar sein. Sie ist nicht damit einverstanden, dass diese öf­fentliche Mittel sein sollen. Geld aus Beiträgen wird ja im Umlageverfahren sofort wieder ausgegeben.

FDP: Versichertenbeiträge sind keine Verfügungsmasse der Politik.

Frage 10

Wahlempfehlung:
Stehen Sie und Ihre Partei für die Ausgliederung der vfL aus der Rentenversicherung?
Stehen Sie und Ihre Partei für eine Bürgerversicherung?
Warum soll ein Arbeitnehmer als Rentenbeitragszahler, eine Rentnerin oder ein Rentner bei der Bundestagswahl im Sep­tember Ihre Partei bzw. die Kandidaten Ihrer Partei wäh­len?

CDU: Die Ausgliederung der vfL ist nicht sinnvoll. Erst muss man Transparenz schaffen. Wir stehen zum Generationen­vertrag, werden etwas gegen die Altersarmut tun. Wir sind zuverlässig.

SPD: Messen Sie uns nach dem was wir tun wollen. Wir brau­chen die Bürgerversicherung bei der RV und bei der KV. Wir sind die einzige Partei, die ein Rentenkonzept vorgelegt hat.

Grüne: Sind für die Bürger­versicherung, versuchen, in allen Berei­chen den Nachhaltigkeitsfaktor auszufüllen.

Linke: Klare Abgrenzung und Finanzierung der vfL. Sind für Bürgerversicherung. Jeder Erwerbstätige soll ver­si­cherungspflichtig sein. Volle Parität bei den Beiträgen. Sind einzige Partei, die für so­ziale Gerechtigkeit eintritt. Sind für Mindestlohn und ge­gen prekäre Beschäftigung.

FDP: Er sieht keine Chance für den vollen Ausgleich der vfL. Seine Partei steht für Genera­tionengerechtigkeit. Die letzen vier Jahre waren gute Jahre für Deutschland, deshalb keine Experimente, im Interesse für Deutschland.

Otto W. Teufel

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