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Es sind erst zwei Monate mit Beschränkungen und Isolation vergangen, aber die Zeit bis zum Impfstoff kann 1-2 Jahre dauern und bis dahin isoliert zu leben, ist keine Option, denn gerade viele Ältere und Risikogruppen wollen selbstbestimmt so lange wie möglich das Leben gestalten.

Im Spiegel Nr. 18 vom 25.4.2020 wird diskutiert, ob der wirtschaftliche und gesellschaftliche Schaden eines „lock down“ angesichts der geringen Gesamtsterberate und diese hauptsächlich bei älteren Menschen und Risikogruppen zu rechtfertigen ist. Es wird vorgeschlagen, die Älteren und Risikogruppen sollten zu Hause bleiben, damit die anderen zur Normalität zurückkehren können. Herr Palmer schlägt dies sogar als neuen Generationenvertrag vor.

Diesen Vorschlägen wurde im ZDF in einer Diskussion bei Herrn Lanz heftig widersprochen, wobei Herr Palmer bei seinen provokanten Thesen blieb. Herr Lauterbach wies daraufhin, dass nach jetzigem Stand damit 50 Prozent der Bevölkerung betroffen sind, vielen sieht man nicht an, dass sie zur Risikogruppe gehören: Krebskranke, geschwächtes Immunsystem durch Autoimmunkrankheit, Herz-Kreislauferkrankungen, Raucher, so dass eine dauerhafte Isolation nicht möglich ist, zumal es immer Kontaktpersonen im Umkreis geben muss und wird ( vom Ehepartner bis zum Arzt).

Aber was wäre das für ein Leben allein in der Wohnung, im Haus mit Garten und eine Zeit lang mit telefonischen und digitalen Kontakten. Und selbst wenn der Einkauf gebracht wird, muss man zum Arzt, zur Bank usw. Oder wollen wir ganze Bevölkerungsgruppen entmündigen, sollen alte Menschen ohne reale soziale Kontakte leben? Hier werden Menschenrechte verletzt, die man sich gerade erst durch Barrierefreiheit ermöglicht hatte, nämlich als alter und auch kranker Mensch an allem gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Was ist mit Mandatsträgern aus dieser Gruppe? Frau Manu Dreier und Frau Schwesig mit MS- und krebskrank, Herr Erich Haseloff als Älterer könnten wahrscheinlich nicht mehr Ministerpräsident/in sein. In unserem Parlament würde die Hälfte der Parlamentarier nur von zuhause aus arbeiten. Aber was ist die Alternative?

Jeder der in den letzten zwei Monaten digital unterwegs war in Videokonferenzen, beim Skypen mit Verwandten, mit einer Bestellung im Restaurant oder für den täglichen Bedarf, sich zu informieren ob der Bus noch fährt oder über Streaming-Dienste Konzerte zu hören, merkt, welche große Hilfe digitale Medien sind.

Aber wer irgend kann, geht sicher lieber raus und nimmt aktiv am gesellschaftlichen Leben teil. Hier helfen FFP2 Masken (zum Selbstschutz) und ausreichende Tests. Nach der Versorgung von medizinischem Personal und pflegenden Angehörigen sollten auch Ältere und Risikogruppen Zugang zu medizinischen Masken und regelmäßigen Tests haben und zur Not auch zu anderer Schutzkleidung. Dies kann z.B. durch medizinische Masken auf Rezept für diese Gruppe geregelt werden. Das geht auch nicht sofort, aber nur mit Selbstschutz können Ältere und Risikogruppen dann unbesorgt zum Arzt, zur Bank oder zum Einkaufen gehen, da sich leider nicht alle diszipliniert an Maskenpflicht und Abstandsregel halten.

Auch bestimmte Einkaufszeiten für diese Gruppen haben andere Länder inzwischen eingerichtet. Außerdem muss die Maskenpflicht in allen öffentlichen Räumen und Verkehrsmitten und vielleicht sogar auf engen öffentlichen Parkwegen und Fußgängerwegen eingeführt werden.

Der Bringdienst der Senioren- und Nachbarschaftszentren kann nur vorübergehend Kontakt bringen. Es sollen neue Konzepte und Vorkehrungen getroffen werden, dass alle an Aktivitäten in Seniorenzentren teilnehmen können. Natürlich sind Kitas und Schulen wichtiger, aber auch Einsamkeit kann töten, und sich frei bewegen und entscheiden zu können, ist ein Menschenrecht. Hier muss möglichst bald eine gesellschaftliche Öffnung durch obige Maßnahmen erfolgen und auch Älteren und Risikogruppen wieder ein gesellschaftliches Leben ermöglichen.

Wegsperren und Ausgrenzen ist keine Option gerade für ältere Menschen, die noch die letzten aktiven Jahre vor sich haben und selbstbestimmt genießen wollen. Corona wird Kultur, Gesellschaftsleben und soziale Kontakt nachhaltig verändern, aber es müssen Wege für alle gefunden werden.

Gunda Wolf-Tinapp