im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 7. August 2015 erschien folgendes Interview:

Titel: „Freiheit ist kapitalistischer Mainstream“

Die Soziologin Cornelia Koppetsch meint:

„Die Mittelschicht schafft sich ab, Bildungsabschlüsse verlieren an Wert, und der Neoliberalismus vereinnahmt selbst diejenigen, die ihn bekämpfen sollten – beste Voraussetzungen, um das ganze Gesellschaftssystem ins Wanken zu bringen.“

In ihrem Buch: „Die Wiederkehr der Konformität“ – Streifzüge durch die gefährdete Mitte, erschienen im campus-verlag schreibt sie:

Zitat

Ängste vor sozialem Abstieg prägen das Lebensgefühl der Mittelschicht. Je größer die Verunsicherung, desto mehr wird die „Mitte“ als Hort von Sicherheit und Normalität herbeigesehnt.

Die neue Mitte, so das Fazit, ist von Leistungsdruck und Überforderung ebenso geprägt wie von der Rückkehr zu konservativen Werten – was sich nicht zuletzt in der Renaissance alter Rollenmuster in Ehe und Familie spiegelt.

Zitat Ende

Aus dem Interview

Wenn das Kapital ungehindert wachse, der Ertrag der Arbeit hingegen zu niedrig sei, sei kein sozialer Aufstieg mehr möglich.

 

Die Ungleichheiten waren vor den Neunzigerjahren kleiner. Warum?
Die Nachkriegszeit war die goldene Phase des demokratischen Kapitalismus, weil der Sozialstaat expandierte und dank steigender Löhne die gesamte Bevölkerung zu kaufkräftigen Konsumenten wurde. Auch die Arbeiter. Facharbeiter wurden verbürgerlicht, sie verloren ihre proletarische Kultur.

Die Reservearmee wird größer. Dies sind Personen, die wirtschaftlich eigentlich überflüssig sind, die nicht mehr richtig eingebunden sind. In ökonomischer Hinsicht gehören sie zu den Verlierern in einer Gesellschaft.

Würde es helfen, wenn die Mittelschicht sich solidarisieren würde?
Die Mittelschicht war nie eine richtige Solidargemeinschaft. Dazu war sie immer schon zu breit und vielfältig. Sie hat sich nie organisiert wie die Arbeiterklasse – außer vielleicht die Achtundsechziger, die kamen aus der Mittelschicht.

Sind die Kreativen also jetzt treue Diener des Neoliberalismus?
Ich glaube ja. Und das ist der Trick an der Sache. Das haben die französischen Sozialwissenschaftler Luc Boltanski und Ève Chiapello in ihrem Werk „Der neue Geist des Kapitalismus“ herausgearbeitet: Die einst gegenkulturell formulierten Ideale wie Autonomie, Emanzipation, Eigenverantwortung, Freiheit, Kreativität sind vom kapitalistischen Mainstream vereinnahmt worden. Sie enthalten kein Widerstandspotenzial mehr. So erkläre ich mir auch die Wiederkehr der Konformität, den Neokonservatismus: als Abwehr von neoliberalen Freiheitszumutungen. Kreativ zu sein und eigenverantwortlich zu handeln ist heute nicht mehr subversiv, sondern gehört zu den von Arbeitgebern geforderten Tugenden.

Führt das zu einer unpolitischen Haltung?
Im Generationenvergleich schon. Meinungsumfragen wie zum Beispiel die Shell-Jugendstudie zeigen, dass sich die jüngere Generation oft ins Private zurückzieht.

Konsequenz:

Die Generation, die jetzt in den Startlöchern steht, ist nicht mehr zu politisieren. Wenn sie sich politisch betätigt, dann nur, wenn sie einen unmittelbaren Erfolg sieht. Die Jüngeren wagen keine Utopie, keinen wirklichen Gegenentwurf. In Grabenkämpfe und Statuskämpfe klinken sie sich nicht ein. Aber das wäre Politik.

 

Was bedeutet das für die ADG und dem Ziel einem sozialen und gerechten Staat?

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