Das Wort „Populismus“ ist seit den Präsidentschaftswahlen in den USA in allen Zeitungen, Zeitschriften, in jeder Talkshow im Zentrum der Diskussion. 

Warum muss sich die ADG mit dem Populismus auseinander setzen?

In unserer Satzung haben die Gründer der ADG folgendes formuliert: Zielsetzung des Vereins ist die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens. Daraus leitet sich als spezifischer Vereinszweck die Förderung von politischer Bildung und Erziehung ab. Der Verein verfolgt keine politischen Zwecke im Sinne der einseitigen Beeinflussung der politischen Meinungsbildung oder der Förderung von politischen Parteien.

Also ist es auch im Sinne unserer Satzung, wenn wir politische Entwicklungen beschreiben, kommentieren und politische Phänomene erläutern. Dies soll mit der gleichen Gründlichkeit wie bei allen Veröffentlichungen der ADG geschehen.

Was aber bedeutet „Populismus“ und warum konnten populistische Politiker die Demokratie unter­graben? Das lateinische „populus“ heißt auf deutsch „Volk“. Das klingt zunächst gut, woran erkennt man Populisten und was wollen sie bewirken? Wenn man im Internet in die Suchmaschinen das Stichwort „Populismus“ eingibt, erhält man ca. 1 Mio. Beiträge, in denen dieses Wort vorkommt.

So schauen wir zuerst im Duden nach:

  • (Politik) von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen. 
  • literarische Richtung des 20. Jahrhunderts, die bestrebt ist, das Leben des einfachen Volkes in natürlichem, realistischem Stil ohne idealisierende Verzerrungen für das einfache Volk zu schildern.

Die Encyclopedia of Democracy definiert Populismus wie folgt: „Eine politische Bewegung, die die Interessen, kulturellen Wesenszüge und spontanen Empfindungen der einfachen Bevölkerung hervorhebt, im Gegensatz zu denen einer privilegierten Elite. Um sich zu legitimieren, sprechen populistische Bewegungen oft direkt den Mehrheitswillen an – durch Massenversammlungen, Referenden oder andere Formen der direkten Demokratie –, ohne großes Interesse für Gewaltenteilung oder die Rechte von Minderheiten.“1)

In Wikipedia ist zu lesen: 

  • Bei einem Verständnis von Populismus als bloße Strategie zur Machtgewinnung kann sich dieser sowohl mit „linken“ wie „rechten“ politischen Zielen verbinden. Laut Florian Hartleb, der in seiner Fallstudie die Partei Rechtsstaatlicher Offensive und die PDS untersuchte und als rechts- bzw. linkspopulistische Parteien klassifizierte, gibt es allerdings keinen festen Kriterienkatalog für die Einstufung einer Partei als rechts- oder linkspopulistisch.2)

Das östereichische Politik-Lexikon hat nachfolgende Definition: 

  • Das lateinische „populus“ heisst auf deutsch „Volk“. Populismus bedeutet, so zu tun, als ob man wüsste, was für die gesamte Gesellschaft (für das Volk) am besten sei. 
    Populisten und Populistinnen behaupten, dass nur sie wissen, was richtig und falsch ist. 
    Das kommt bei jenen Menschen gut an, deren Probleme angesprochen werden.
    Quelle: politik-lexikon.at Verlag Jungbrunnen, Wien, im Auftrag des österreichischen Bildungsministeriums. All rights reserved.

In seinem Blog setzt sich Alexander Dilger, Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit der Bedeutung des Populismus auseinander. Der Beitrag enthält auch viele Kommentare. „Populismus ist eine Form des Opportunismus, bei der ein Politiker oder auch eine ganze Partei dem Volk das verspricht, was dieses seiner Meinung nach hören will.“ Und weiter:

„Nicht populistisch ist einerseits eine sach­orientierte oder sogar technokratische ­Politik

Andererseits eine ideologische Politik, die sich an einer Weltanschauung orientiert, ob diese nun gerade gut ankommt oder nicht“ – darin sieht sich die ADG wieder. Der Gegenentwurf zum Populismus ist hier der Paternalismus, der das (vermeintlich) Beste für das Volk auch gegen dessen eigene Vorstellungen durchzusetzen versucht. In einer guten Demokratie wird ein Mittelweg zwischen Populismus und Paternalismus gesucht, wobei auch Paternalismus populär sein kann. Ein echter Anführer wird weder den Stimmungen und Ansichten des Volkes einfach nachlaufen noch diese komplett ignorieren, sondern diese positiv zu beeinflussen versuchen. Die meisten Menschen verstehen viel, wenn man es ihnen ernsthaft erklärt.

Muss man sich mit dem Populismus auseinandersetzen, wenn man, wie es die ADG postuliert, die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens zum Ziel hat? Dazu muss man wissen, woran man Populisten erkennt und was ihr Ziel ist. Zusammengefasst deshalb zehn Thesen aus dem Buch „Was ist Populismus? Ein Essay von Jan-­Werner Müller, Politologe der Uni Princeton.“3)

1. Populisten lassen sich an ihrem Politikstil festmachen. Sie sind anti-elitär und grundsätzlich antipluralistisch

2. Solange Populisten in der Opposition sind, behaupten sie, von der falschen, korrupten Elite repräsentiert zu werden.

3. Populisten kritisieren die „falschen Repräsen­tanten“ und kritisieren fundamental das demokratische System.

4. Populisten glauben an das Imperative Mandat. Im Unterschied zum freien Mandat bindet das Imperative Mandat Abgeordnete an den Wählerwillen oder an Weisungen seiner/ihrer Partei/Fraktion. Auf Bundesebene ist das Imperative Mandat nach Art. 38 (1) GG unzulässig.

5. Populisten spielen das „konstruierte Volk“ gegen die bestehenden Institutionen unserer Demokratie systematisch aus.

6. Mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ grenzen Populisten alle die aus, die nicht ihrer Meinung sind. Nur sie kennen das „wahre, moralische, reine Volk“.

7. Konkret bedeutet das, dass Populisten den Staat vereinnahmen und jegliche Opposition der ­Zivilgesellschaft oder der Medien diskreditieren. „Man darf das doch mal sagen“ (es bleibt immer etwas hängen).

Man begibt sich auf das Niveau der Populisten, wenn man populistische Gruppen einfach aus­grenzt.

8. Man muss mit ihnen diskutieren und ihnen die Fakten entgegenhalten. Bei Volksverhetzung muss das Strafrecht konsequent angewendet werden. Damit dies auch geschieht, sind alle wehrhaften Demokraten dazu aufgerufen, Straftaten zu dokumentieren und anzuzeigen.

9. Solange es verschiedene Staaten und Staats­völker gibt, kann man sagen: Volk wird zum Prozess. Die Zugehörigkeit muss aber in der Demokratie ausdiskutiert werden. Dafür gibt es in der Demokratie Verfahren. Also muss in einem großen Diskurs festgelegt werden, wer dazu gehört. 

Es kommt eben darauf an, dass es Bürger gibt, die bereit sind, für Gerechtigkeit einzu­stehen.

Im zweiten Schritt müssen ­solche Bürger aber auch erklären, warum es eine Sache der Gerechtigkeit und des Anstands ist, dass auch diejenigen dazu­gehören, welche die Populisten ausschließen wollen.

10. Der Begriff „Populismus“ wird heute gern von den „Etablierten“ überdehnt. Eine funktionierende Demokratie lebt von der Vielfalt, vom Wandel. Konflikte müssen in einer Demokratie ausgetragen und dürfen nicht von einer Elite und den Lobbyisten einfach beiseite geschoben werden.

So sprach Carolin Emcke, die diesjährige Preisträgerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, am 23. Oktober in der Frankfurter Paulskirche:

„Eine freie, säkulare, demokratische Gesellschaft ist etwas, das wir lernen müssen, immer wieder.

Im Zuhören aufeinander. Im Nachdenken übereinander. Im gemeinsamen Sprechen und Handeln.“

Diethard Linck

 

 

1) Torcuato S. Di Tella (1995): Populism, in Seymour Martin Lipset, Hg.,

2) Florian Hartleb: Rechts- und Linkspopulismus: eine Fallstudie anhand von Schill-Partei und DS. VS Verlag 2004, S. 40.

3) Edition Suhrkamp, ISBN 978-3-518-07522-7

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