Seit Monaten ist die Rentenversicherung in aller Munde. Dazu einige Schlaglichter: Angetrieben, die Diskussion über Alters­armut und Rente aus der Bundestagswahl 2017 herauszu­halten, hat die Bundesarbeits­ministerin Andrea Nahles (SPD) mit vielen gesellschaftlichen Gruppen das Thema diskutiert, so auch mit den Gewerkschaften. Am Freitag, dem 25. November 2016 hat dann die Bundesregierung ein Regierungsprogramm dazu beschlossen. Am 24. November schrieb die Süddeutsche Zeitung von einem Reförmchen.

Der Ansatz von Frau Nahles und vielen (selbsternannten) wissenschaft­lichen Spezialisten diskutiert nur einzelne Aspekte, so z.B. die Mütterrente, das Renten­niveau oder den Beitrag auf Basis von Generationengerechtigkeit, und lässt die Mängel aus der Vergangenheit völlig außer Acht. Die Aussagen und die Übersicht der ADG zu den versicherungsfremden Leistungen finden hier keinen Niederschlag, und das, obwohl die Daten der ADG auf den Veröffentlichungen der Deutschen Rentenversicherung Bund aufbauen. Einen höheren Ritterschlag kann es wohl nicht geben.

Die Gewerkschaften halten sich zu Gute, das Thema Rente auf die politische Agenda gesetzt zu haben.

Sie fordern einen grundsätz­lichen Kurswechsel in der Rentenpolitik, mit unverzüglicher Stabilisierung des Rentensystems, einem Anheben des Rentenniveaus, das einen Lebens­standard ohne Angst im Alter ermöglicht und dem Beitrag aus dem Erwerbsleben entspricht. Dabei haben die Gewerkschaften ihren Blick auf die Vergangenheit und die Gegenwart. Die Zukunft aber, die sich durch den „Technischen Fortschritt der Digitalisierung“ ergibt, fehlt völlig.

Aber auch die ADG war nicht untätig: Im Sommer hat unser Vorstandsmitglied Hans Lampl als Leiter der Arbeitsgruppe Altersarmut im sozial­politischen Ausschuss der Landesseniorenvertretung Bayern (LSVB) einen Antrag zur Altersarmut eingereicht.1)

Der Antrag basiert auf Daten von den Senioren der CSU, dem Beitrag von Prof. Dr. Schmähl „125 Jahre Gesetz­liche Rentenversicherung: Aufstieg und Niedergang“, Texten aus www.alters­armut-per-gesetz.de von Herrn Dr. Morgan, einer Broschüre der Landes­seniorenvertretung NRW, einer Aufstellung der Fremdleistungen Deutscher Rentenversicherungen, Aussagen verschiedener Medien und einer Vergleichstabelle zwischen dem Deutschen und dem Österreichischen Sozialsystem, die von der Arbeitsgruppe erarbeitet wurde.

Dieser österreichische Ansatz beinhaltet die gleichmäßige Verteilung der Lasten über alle sozialen Gruppen, die Vergütung der Lebensleistung, die Vermeidung von Alters­armut und ist während der Beitragszeit für die Beitragszahler nicht so teuer wie das System in Deutschland, das sich nur auf die Einkommen von Arbeitnehmern (ohne Selbständige mit eigenem Versorgungssystem, ohne Beamte, ohne Berücksichtigung der Rationalisierung durch technischen Fortschritt) stützt. Es dürfte kein Zufall sein, dass die CSU, voran Horst Seehofer, die Themen Altersarmut und Rente in den Vordergrund geschoben hat.

Aus der Politik hebt sich besonders der Staats­sekretär beim Bundesministerium für Finanzen, Jens Spahn, hervor, der in jeder Talkshow seine These „es ist nicht fair, alle Probleme bei der Rente auf Kosten der jungen Generation zu regeln“ vertritt. Gleich­zeitig fordert er aber auch eine längere Lebens­arbeitszeit, was die heute arbeitenden jungen Beitragszahler in 30 Jahren treffen wird. Wenn die „Junge Generation“ in Rente gehen will, ist der Kreis der politisch Verantwortlichen mit einer üppigen Pension bis zum Lebensende versorgt. Siehe dazu auf oeffentlichen-dienst.de den Vergleich zwischen Rente und Pension 2012 mit Tabelle2).

Die Karikatur aus der SZ suggeriert, als ginge die Erwartung auf eine auskömmliche Rente lange aufwärts, bis der endgültige Absturz kommt.

Weitere massive Beeinflussung der Entscheidungs­träger erfolgt z.B. über die Organisation „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM). Mit ganz­seitigen Anzeigen wird den Beitragszahlern suggeriert, dass sie nur zahlen und nie eine Leistung erhalten werden. Auf ihrer Internetseite behauptet sie, dass die jetzige Renten­systematik3) fair sei.

Dabei schreibt Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen nicht, dass die Industrie bei schwindenden Gewinnen am liebsten Mitarbeiter (Beitragszahler) entlässt, und zwar möglichst die Älteren und Teureren. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass man ab dem 50ten Lebensjahr viel Glück haben muss, um dann noch eine neue Anstellung zu finden.

Max Straubinger, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe meint: „es sind nur zwei Prozent der Bevölkerung auf eine Grundsicherung im Alter angewiesen, das bestehende System ist noch stabil genug“.

Die ver.di-Mitgliederzeitung 2016/07 enthält eine Beilage „Spezial“, darin der Artikel „Die Ruhe vor dem Sturm“ mit einem Interview, in dem der ­Wissenschaftler Antonio Brettschneider des Forschungsinstituts für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) in Düsseldorf die fünf zentralen Risikogruppen für Altersarmut auflistet.

Dies sind:

1. familienorientierte Frauen mit langen Erwerbs­unterbrechungen, überwiegend aus Westdeutschland

2. ehemalige Selbstständige, hier sind die Männer in der Mehrzahl

3. Menschen mit Migrationshintergrund, also Gastarbeiter der ersten Generation, Spätaussiedler und Kontingentflüchtlinge

Dann gibt es noch zwei kleinere Gruppen:

4. Umbruchgeprägte Ostdeutsche, die nach der Wende arbeitslos geworden und es auch bis zum Rentenalter geblieben sind

5. Menschen, die besonders starke Brüche in ihrer Biografie haben. Dazu zählen Obdachlose oder zum Beispiel auch Menschen, die eine Haftstrafe absitzen mussten

In der Summe sind dies Menschen, die nicht oder nur wenige Beitragspunkte durch Beitragszahlung gewonnen haben. Im Alter sind sie dann auf Grundsicherung angewiesen. Herr Brettschneider4) meint dazu: „Aktuell haben wir noch die Ruhe vor dem Sturm. Ab 2020 kommen jedoch die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge ins Rentenalter, und dann wird die Zahl derjenigen, die auf Grund­sicherung angewiesen sind, deutlich steigen. Der durchschnittliche Bruttobedarf der Grundsicherung liegt aktuell bei knapp 800 Euro netto.“

In der SZ vom 4.12.2016, beschäftigt sich Thomas Öchsner in dem Artikel „Alterssicherung – Zehn Wahrheiten über die Rente“5). Wir müssen uns folgende Frage stellen: Sind die Argumente richtig und vollständig und wurden für uns wichtige Argumente nicht aufgelistet? Wir dürfen das, was Journalisten schreiben, beobachten und nötigenfalls widersprechen. Journalisten sind wie Ökonomen auch meinungsbildend in der Politik und der Bevölkerung.

Diethard Linck

1) http://www.adg-ev.de/index.php/aktivitaeten/themen/grundsatzaussagen/1489-loesungen-gegen-altersarmut

2) http://www.oeffentlichen-dienst.de/wirtschafts-news/71-rente/495-der-renten-und-pensionsvergleich-2012.html

3) http://www.insm.de/insm/kampagne/rente-muss-gerecht-bleiben/Wie-die-Rente-sicher-bleibt.html#punkt1ffe

4) http://publik.verdi.de/2016/ausgabe-07/spezial/generationen/seite-17/A0

5) http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/alterssicherung-zehn-wahrheiten-ueber-die-rente-1.3276895

 

 

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