Die Renten werden in Österreich nächstes Jahr zwischen 5,8 und 10,2 Prozent steigen. Das gaben Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und Fraktionschef August Wöginger von der konservativen Kanzlerpartei ÖVP bekannt. Das vermelden die Presseargenturen im Oktober 2022.
Was ist das Besondere am östereichischen System?
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Allgemeines zur Pflichtversicherung
In Österreich gibt es ein System der Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen. Die Pflichtversicherung beginnt, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer mit einem Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze) erfüllt sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die betroffene Person davon weiß oder es will.
Wer versichert ist findet man bei oesterreich.gv.at-
Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG)
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Pflichtversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG)
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Pflichtversicherung nach dem Freiberuflich Selbstständigen-Sozialversicherungsgesetz (FSVG)
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Pflichtversicherung nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG)
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Beschäftigungsinitiative 50+
Seit 2018 stehen dem Arbeitsmarktservice im Rahmen der "Beschäftigungsinitiative 50+" jährlich 165 Millionen Euro für die Integration älterer Arbeitnehmerinnen/älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zur Verfügung. -
Die Möglichkeit, eine abschlagsfreie vorzeitige Pensionsleistung zu erhalten, wird abgeschafft und durch die Einführung des Frühstarterbonus ersetzt.
Dafür gibt es ab dem 1. Jänner 2022 Abschläge von 4,2 Prozent pro Jahr bei der Langzeitversichertenregelung, wonach man mit 45 Beitragsjahren ab Vollendung des 62. Lebensjahres in Pension gehen kann. - Die erstmalige Pensionserhöhung wird ab dem Jahr 2022 abhängig davon, in welchem Monat man in den Ruhestand getreten ist, d.h. abhängig vom Stichtag, erfolgen.
Einzelne Analysen:
Schon im März 2018 stellt Florian Blank von der Hans-Böckler-Stiftung
im Beitrag "Österreich: Rente nachhaltig finanziert" unter anderem fest:
"Das vergleichsweise hohe Rentenniveau in Österreich sei langfristig nicht finanzierbar,meinen Kritiker. Zu Unrecht, zeigt eine Studie. Tatsächlich ist am Beispiel Österreich zu sehen, wie leistungsfähig umlagefinanzierte Rentensysteme sind."
und weiter
"Dass die Kosten langfristig aus dem Ruder zu laufen drohen, halten die Wissenschaftler für unwahrscheinlich. Sie verweisen auf Berechnungen der Europäischen Kommission, denen zufolge die Ausgaben für Renten und Pensionen von 13,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2013 auf 14,7 Prozent im Jahr 2040 bzw. 14,4 Prozent im Jahr 2060 und damit „äußerst moderat“ steigen werden. Die Europäische Kommission bewertet diese Entwicklung als „weitgehend stabil“."
Der Wirtschaftsdienst, herausgegeben von der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, stellt in seiner Analyse "" (98. Jahrgang, 2018 Heft 3 S. 193–199) fest:
"Entwicklung der Ausgaben - (Finanzielle) Nachhaltigkeit
Wird die Nachhaltigkeit an der mittel- bis langfristigen Entwicklung der Rentenausgaben gemessen, bieten sich transparent hergeleitete und vergleichbare Langfristprojektionen an. Bereits im Beitrag für den Wirtschaftsdienst 2016 haben wir hierzu auf Berechnungen der Europäischen Kommission im Ageing Report 2015 verwiesen.8 Der Fokus liegt dort auf den öffentlichen Renten- und Pensionsausgaben. Für Österreich wird erwartet, dass diese Ausgaben (inklusive Ausgleichszulagen) ausgehend von 13,9 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 20139 auf 14,7 % (um 2040) ansteigen und danach bis 2060 wieder leicht auf 14,4 % absinken werden. Der voraussichtliche Anstieg der relativen Rentenausgaben fällt damit auch in einer langfristigen Betrachtung trotz deutlicher Alterung der Gesellschaft äußerst moderat aus. Eine erhebliche Rolle spielt dabei der mittel- bis langfristige Rückgang der Ausgaben für die Pensionen der Beamten (eine Folge der vielen Ausgliederungen aus dem öffentlichen Dienst und der Angleichung des Pensionsrechts der Beamten an die Regelungen in der Rentenversicherung).10 Die Ergebnisse der Berechnungen spiegeln wider, dass das österreichische Rentenrecht – ohne Paradigmenwechsel – umfassend reformiert und an die demografischen Herausforderungen angepasst wurde. Im Ageing Report 2015 wird entsprechend die Ausgabenentwicklung als „weitgehend stabil“ bewertet.11
Aus deutscher Sicht zeigt der Blick auf das österreichische Rentensystem, dass das sozialpolitisch Mögliche – anders als oft behauptet – nicht ökonomisch determiniert ist. So gesehen kann der Fall Österreich auch helfen, für die deutsche Rentenpolitik Alternativen aufzuzeigen. Dies betrifft zentrale Themen wie die Verbesserung des Leistungsniveaus, die Verbesserung der Grundsicherung und den Übergang zur Erwerbstätigenversicherung, aber auch die Grundhaltung zum Sozial(-versicherungs-)staat als einem politisch gestaltbaren, leistungsfähigen und bewahrenswerten Teil der deutschen Gesellschaft.
Eine Interessante Annalyse bietet das Portal Finanzlücke
Das Rentensystem von Österreich: Wie nachhaltig ist es wirklich?
Veröffentlicht von: Birgit Hünniger Letzte Aktualisierung: August 2022
Sie schreibt:
"Wenn es um effektive und nachhaltige Rentensysteme geht, hatte ich Österreich gar nicht auf dem Schirm. Aber bei meiner Recherche zu Skandinavien und internationalen Vergleichen stieß ich auf eine Zahl, die mich erstaunt und neugierig gemacht hat: 80 Prozent. Das soll das Rentenniveau von unserem Nachbarstaat sein. Doch damit nicht genug. Diese 80 Prozent sollen fast vollständig auf eine umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung zurückzuführen sein, bei der kapitalgedeckte Vorsorgeprodukte fast gar keine Rolle spielen."
Nach ihrer Analyse schreibt sie unter der Überschrift "Ist das Rentensystem von Österreich die Lösung für Deutschland?"
"Darauf gibt es keine einfache Antwort: Österreich steht in Sachen Demografie momentan besser da als Deutschland. Ein geringeres Durchschnittsalter und eine höhere Migrationsrate wirken sich stabilisierend auf das Umlagesystem aus."
und weiter:
"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Rentensystem von Österreich zwar hohe Auszahlungen bietet und die Ziele der Lebensstandardsicherung und Prävention vor Altersarmut erreicht. Dennoch ist sie eher einseitig aufgestellt. Auch heute werden Rentenlücken durch Steuergelder geschlossen. Und die privaten Vorsorgemöglichkeiten sind schlecht konstruiert oder werden oft nur von denen genutzt, die sowieso gut verdienen."
rentenbeschei.de stellt in einem Kommentar fest:
"Das Sozialversicherungs- und Rentenssystem von Österreich ist umlagefinanziert. Es unterscheidet sich in einem erheblichen Punkte zum deutschen Rentensystem. Alle Bürger außer Beamte zahlen in die Rentenkasse ein. Auch alle Selbstständigen. Es gibt für die Bürger nur diese eine staatliche Vorsorge mit starken Leistungen und eine obligatorische Betriebsrente. Wir klären in unserem Renten-ABC auf, was hinter dem Rentensystem in Österreich steckt.
Wie geht das?
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Finanzierung der österreichischen Rente
Die Beiträge zur Rentenversicherung betragen 22,8 Prozent des Bruttogehalts, liegen also etwas über dem deutschen Niveau.
Der Anteil der Arbeitnehmer beträgt 10,25 Prozentpunkte, der der Arbeitgeber 12,55 Prozentpunkte.
- Die Österreicher zahlen mit einem Beitragssatz von 22,8 Prozent deutlich mehr ein als die Deutschen(18,7). Allerdings zahlen die Arbeitgeber in Österreich höhere Beiträge ein(s.o.), und das gesetzliche Rentenniveau ist damit erheblich höher.
- Mit Einbeziehung der Selbstständigen erhöht sich der Anteil der Beitragszahler in Österreich (71 Prozent) gegenüber Deutschland (64 Prozent).
- Das österreichische Rentensystem: Politiker zahlen auch ein
- Die bessere demografische Struktur in Österreich ergibt sich aus der schon seit längerer Zeit bestehenden Zuwanderung von möglichen Beitragszahlern. Auf einen Rentner kommen 3,4 Erwerbstätige. Zum Vergleich, in Deutschland ist es ein Rentner auf 2,9 Erwerbstätige. Übrigens, in Österreich sind auch Politiker beitragspflichtig.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) findet an dem östereichischen System kein gutes Haar; wen wunderts!
Anders als in Deutschland spielt die private Altersvorsorge in Österreich nur eine untergeordnete Rolle. In dem Beítrag werden die auf die Zukunft verschobenen Belastungen durch die Staatsbeamten völlig außer acht gelassen.