Ericht Kästner

Ursachen und Folgen des Populismus

Der Rundfunksender BR24 hat mit dem Populismus-Forscher Philipp Adorf vom Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn gesprochen.

Populismus: "Volksparteien mit Repräsentationslücke"

Über dieses Thema berichtete „Possoch klärt“ am 03.08.2023 um 16:00 Uhr.

Der Populismus-Forscher Philipp Adorf lehrt und forscht am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn

Nachfolgend einige Zitate ohne Bewertung und Vollständigkeit:

Rechte Populisten:

Populisten sehen die Gesellschaft eigentlich als sehr homogen an. Das heißt, das Volk hat einen Willen, und dieser Volkswille habe über allem zu stehen. Er soll nicht eingeschränkt werden von anderen Institutionen. Er soll nicht eingeschränkt werden von der Judikative beispielsweise, und das ist eben das problematische und potenziell antidemokratische Element, weil in einer liberalen Demokratie Kontrollmechanismen notwendig sind.

Demokratischer Gegenpol

Demokratie sollte nicht bedeuten, dass zwei Wölfe und ein Schaf entscheiden, was es zu essen gibt, sondern Demokratie bedeutet auch immer, dass es einen gewissen Minderheitenschutz gibt. Und den lehnen Populisten mit ihrer majoritären Interpretation der Demokratie ab, in der eben der Volkswillen über allem zu stehen hat.

Der Populismus sieht ganz grundlegend die zentrale Konfliktlinie in der Gesellschaft, nicht zwischen links und rechts, sondern zwischen Volk und Elite. Und er sieht sich dabei auf der Seite des Volkes, während alle anderen Parteien auf der Seite der Elite stehen. Populisten argumentieren, dass die Politik immer den Volkswillen widerspiegeln soll.

Es ist ein Unterschied, ob man manchmal sagt: "Wir brauchen mehr Einfluss des Volkes!" oder "Das politische System muss reformiert werden!" Oder ob man sagt: "Der politische Gegner ist illegitim, der politische Gegner kämpft gegen den Volkswillen!" Da sind dann schon die Differenzen zwischen der Nutzung von einzelnen populistischen Stilmitteln und einer echten populistischen Ideologie.

Radikal rechte Kräfte instrumentalisieren Themen, die ihnen für ihr Ziel zweckmäßig erscheinen, um eine bewusste Polarisierung, ja Spaltung in der Gesellschaft voranzutreiben. Populisten leben davon, die gesellschaftliche Polarisierung zu verstärken, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Ansichten, Argumente oder Kommentare, die vielleicht vor Jahren noch inakzeptabel waren, werden verbreitet und finden dann auch eine größere Anerkennung oder werden zu einer gewissen Normalität.

Frage: Wären die Union also konservativer und die SPD linker, gäbe es bei uns keinen Populismus?

Adorf: Wenn gewisse Felder wieder besetzt werden würden, könnte dies durchaus dazu beitragen. Eine stärkere Polarisierung zwischen den Volksparteien könnte ein gutes Mittel sein, um populistischen Parteien sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite ein wenig den Sauerstoff zu entziehen.

Linkspopulismus

Bezüglich des Linkspopulismus ist der große Unterschied zum Rechtspopulismus die Interpretation des Volkes oder wie das Volk dargestellt wird. Da kann man schon sagen, dass der Linkspopulismus demokratisch etwas weniger problematisch ist. Man spricht auch in der Wissenschaft von einem inklusiven Populismus, das ist der linke Populismus, und einem exklusiven Populismus, also einem ausschließenden Populismus, das wäre der Rechtspopulismus.

Beispielsweise in Lateinamerika haben Linkspopulisten antidemokratische Schritte umgesetzt, wenn man an Hugo Chávez oder sein Nachfolger Maduro denkt. Der Grund dahinter ist die Grundlogik des Populismus. Das heißt, auch Linkspopulisten vertreten die Ansicht, sie seien die einzigen Vertreter des Volkes und sie kämpften gegen eine Elite. Das ist in diesem Fall dann hauptsächlich die Finanzelite oder eine internationale Elite wie die Vereinigten Staaten. Das heißt, man muss entsprechend der populistischen Logik dann auch alles Erdenkliche tun, um die Feinde des Volkes von der Macht fernzuhalten, sodass auch linkspopulistische Alleinregierungen durchaus keine gute Bilanz haben, wenn es um die Demokratiequalität geht.

Zusammenfassung:

Die Entwicklungen in den mittel- und westeuropäischen Staaten ist noch etwas weiter zurück. Aber das Thema Einwanderung und nationale Identität, so wie es jetzt in den USA schon eine zentrale Konfliktlinie darstellt zwischen den beiden Parteien, wird auch in Europa gesellschaftlich erheblich relevanter sein. Und das ist eigentlich für Rechtspopulisten von Vorteil, Migration ist ihr Kernthema. Es ist zu erwarten, dass sie dieses Thema weiterhin für sich nutzen können, vielleicht sogar mit noch größerem Erfolg.