Wie und durch wen werden nun Verfassungsfeinde bewertet?

  • Vereinigungen, deren Zweck oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind gemäß Art. 9 Abs. 2 GG verboten.
  • Parteien können nach Art. 21 Abs. 2 GG vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden.

Hierbei handelt es sich um die „schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde“, wie das Bundesverfassungsgericht in den Leitsätzen zum Urteil im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens im Jahr 2017 feststellte.

Eine Voraussetzung für die Abwehr von Gefahren, die von Feinden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehen, ist eine umfassende Information der staatlichen Organe und der Öffentlichkeit über verfassungsfeindliche Bestrebungen und Entwicklungen.

Für den Auftrag, Verfassungsfeine zu bewerten, sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG eingerichtet worden. Dazu gehört auch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (­BAMAD).

Die Behörden arbeiten auf Basis des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG)

Im § 3 des BVerfSchG sind die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden geregelt. 

(1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über
  1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben,
  2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich dieses Gesetzes für eine fremde Macht,
  3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
  4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind.

(2) Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder wirken mit

  1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich verschaffen können,
  2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen,
  3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte,
  4. bei der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich bestimmten Fällen,bei der Geheimschutzbetreuung von nichtöffentlichen Stellen durch den Bund oder durch ein Land.

(3) Die Verfassungsschutzbehörden sind an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes).

Die Aufgabe des Verfassungsschutzes erschöpft sich nicht in der Sammlung und Auswertung von Informationen als Selbstzweck, sondern ist erst mit der Weitergabe der analytisch aufbereiteten Erkenntnisse erfüllt der Verfassungsschutz, dem selbst keinerlei polizeiliche Befugnisse zustehen, übermittelt Erkenntnisse an Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften, um exekutive Maßnahmen zu unterstützen oder einzuleiten.

Mit dem Zentrum für Analyse und Forschung (ZAF) intensiviert das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und stärkt so die Analysekompetenz des Verfassungsschutzes.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz definiert die „Freiheitliche demokratische Grundordnung wir folgt:

Damit sind die unabänderlichen obersten Wertprinzipien als Kernbestand der Demokratie gemeint. Diese fundamentalen Wertprinzipien bestimmen die Gesetzgebung des Bundes und der Länder, so auch die Verfassungsschutzgesetze.

Zu diesen Grundsätzen gehören folgende Verfassungsprinzipien:

  • das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch Organe der Gesetzgebung und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,

  • die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,

  • das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,

  • die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,

  • die Unabhängigkeit der Gerichte,

  • der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft,

  • die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Im Verfassungsschutzbericht 2022 des Bundesamtes sind Fakten und Tendenzen aufgezeichnet (Kurzfassung).

Es gibt aber auch Organisationen und Personen, die vom Verfassungsschutz noch nicht beobachtet werden, aber tendenziell die Mechanismen der Demokratie dafür nutzen, die Demokratie zu untergraben und für ihre Ideologie zu missbrauchen.

Die erkennt man auch daran, dass sie den politischen Rivalen diskreditieren, ihn oder sie in Verruf bringen, mit scharfen Attacken, aber auch mit diffamierenden, strafrechtlich relevanten Behauptungen. Dass dies leider auch von Parteien praktiziert wird, die wir keineswegs alle für Verfassungsfeinde halten, hat der Bayerische Rundfunk in seinem Beitrag „Negative Campaigning: Attacke auf den politischen Gegneran verschiedenen Beispielen erläutert.

Wie die Demokratie unterwandert wird, zeigen die Entwicklungen in Polen (Kaczyński), Italien (Meloni), Ungarn (Orban) und Israel (Netanjahu). Systematisch werden die Kontrollmechanismen in der Demokratie, wie Gerichte und Presse, eingeschränkt.

Wer sind nun die Verfassungsfeinde?

Hier weiterlesen